Dienstag, 29. Oktober 2019
Warum kriegen immer nur die anderen den Nobelpreis?
Letztens hatte wieder mal ich Putzdienst auf der internationalen Raumstation ISS. Der Ältestenrat der ISS hatte darauf bestanden, daß diesmal unbedingt die Fenster geputzt werden sollten, von außen. Durch den beständigen Regen der letzten Zeit hatten schleimige Schlieren die Sicht nach außen fast unmöglich gemacht. Keine guten Voraussetzungen für die Beobachtung des Weltraums. Ich also raus, mit Wischmop und Putzeimer. Runterfallen konnte ich nicht, man hatte mich angeseilt, denn dieses Universum ist eine Scheißgegend und du mußt höllisch aufpassen, daß dir nix passiert [1].
Wie auch immer, irgendwann war ich fertig mit putzen. Kaum war ich wieder drinnen, erfuhr ich von der Kollegin Olga, der Literaturnobelpreis sei soeben an den Österreicher Peter Handke verliehen worden. Dann fragte sie mich, wo um alles in der Welt denn dieses Österreich liege, aber ich schmetterte sie ultracool mit der Gegenfrage ab, wieso der Nobelpreis immer nur verliehen würde, niemals verschenkt.
Übergangslos begann ich dann zu weinen. "Wieso?", so schluchzte ich, "bekommen Krethi und Plethi in einer Tour den Literatur-Nobelpreis, ich dagegen nie? Obwohl ich so gottvolle Geschichten geschrieben habe, Theaterstücke und Romane?"
Olga setzte sich auf einen Stuhl - ein Stein war nicht zugegen - und dahte bein mit beine. Es war ein ganz liebreizender Anblick, allein, sie erhob sich nach wenigen Sekunden schon. "Vielleicht", meinte sie schnippisch, "liegt es daran, daß deine Sachen nie einer veröffentlichen wollte?"
Das war's, sie hatte recht.
Wenn wir erst mal aus diesem Scheiß-Universum raus sind, werden wir heiraten.

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[1] Die Australier zum Beispiel müssen sich beständig am Boden festkrallen, damit sie nicht von der Unterseite der Erdkugel runterfallen in die unendliche Leere des Alls.

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Freitag, 25. Oktober 2019
Samarkand
Im fernen Samarkand lebte einst eine in allen Künsten ihres Berufes erfahrene Hure namens Valva.
Eines Tages ging ein stattlicher Mann an ihr vorbei und sie sprach ihn an, nach Hurenart.
"Nein", antwortete dieser auf ihr freundliches Angebot hin, "so wie ich es haben möchte, kannst du es mir doch nicht machen."
"Du bist", fragte Valva, die ihr Geschäft schon dahinschwinden sah, "schwul?"
"Aber woher denn. Und doch - so wie ich es will, kannst du es nicht."
Valva, die Welt- und Berufserfahrene, zählte dem Manne nun alle nur irgend möglichen und einige fast nicht mögliche Arten von Geschlechtsverkehr auf und bekam jedes Mal ein geduldiges "Nein, so will ich es nicht" zur Antwort. Schließlich aber reißt auch der geduldigsten Hure der Geduldsfaden.
"Du sagst mir jetzt sofort, wie du es haben willst. Ich wette mit dir um 100 samarkandische Dublonen, daß ich es dir genauso machen kann, wie du es willst."
Der Mann begann zu lächeln, 100 samarkandische Dublonen sind schließlich eine Menge Geld, und er nahm die Wette an.
Er sagte, er wolle es - und grinste immer noch dabei - kostenlos und das könne sie ihm als Berufsmäßige nicht machen.
Valva entgegnete lächelnd: "Ich hab jetzt Feierabend, komm mit."
Der Mann nahm die Sache sportlich, war zufrieden mit Valva und bezahlte dann seine Wettschuld - das mehr als 10fache des damals üblichen Hurenlohns.

Der Mann aber war der König und da er ein weiser König und zudem noch ledig war, nahm er Valva zur Frau. Wahre Weise - und nur diese - wissen die größere Weisheit eines anderen zu schätzen.

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Dienstag, 22. Oktober 2019
Playboys: Der Schnorrerkönig Poldi Waraschitz
In den fünfziger Jahren und zumindest noch in der ersten Hälfte der sechziger galt das knallharte Arbeitsethos des Wiederaufbaus. Der Wert eines Menschen bemaß sich an seiner Leistungsfähig- und -willigkeit. Entgegen einem verbreiteten Gerücht war in diesen harten, arbeitsreichen Jahren Genuß keineswegs verpönt, wenn er "verdient" worden ist. Wenn man was geleistet hatte, dann konnte man sich etwas gönnen, dann durfte man sich etwas gönnen. Geld war nicht einfach "verdientes Geld", sondern immer "sauer verdientes Geld". Geld, das nicht sauer verdient war, gab es nicht, bzw. darüber sprach man sowenig in der Öffentlichkeit wie über Bordelle und sonstige Obszönitäten.

Auf der anderen Seite war in den Medien, den Illustrierten vor allem, eine unheimlich beliebte Kategorie von Mensch der sog. "Playboy". Ein Playboy ist ein Mann, der Geld hat, viel Geld, unheimlich viel Geld. Soviel Geld, daß er es sich leisten kann, nicht (mehr) zu arbeiten, sondern stattdessen seine Zeit damit zu verbringen, das Geld mit vollen Händen auszugeben. Über Playboys wurde in den Illustrierten fast mehr geschrieben als über gekrönte Häupter, woraus sich zwanglos folgern läßt, daß man Playboys einerseits (natürlich) verachtete, weil sie dem Arbeitsethos so entschieden ins Gesicht schlugen, sie andererseits aber auch (mindestens ebenso natürlich) unheimlich beneidete, weil sie sich diese Mißachtung leisten konnten.

Der Industrie-Erbe Gunter Sachs war einer dieser international bekannten Playboys, ein anderer war ein in Neapel geborener Brasilianer mit italienischem Namen: "Baby" Pignatari [1]. Dieser Baby Pignatari hatte sein Vermögen offensichtlich nicht wie Gunter Sachs ererbt, sondern selbst erworben. Er pflegte zu sagen, er habe die erste Hälfte seines Lebens damit zugebracht, wie ein Tier zu schuften, habe damit ein Vermögen erworben und verbringe nunmehr die zweite Hälfte des Lebens damit, von der ersten Hälfte auszuruhen [2].

Auch einige der Playboys legten also Wert auf das Herausstreichen des Arbeitsethos.

Diese Playboys bewegten sich im Laufe eines Jahres um die Welt, schwerpunktmäßig in Europa. Im Winter war man in St. Moritz, im Sommer an der Côte d'Azur, vor allem in St. Tropez. Wo immer man war, gab man Parties, ging zu Parties. Es war Pflicht, solche ernsthaften Dinge sehr locker zu nehmen. Jeder Eingeladene hatte das selbstverständliche Recht, wieder andere Leute mitzunehmen, so daß solche Parties - Platz genug war ja - oft von den Teilnehmern her sehr, sehr unübersichtlich waren.

Bestimmte Leute, die gewandt und frech genug waren, machten sich dies zunutze, indem sie sich mit allerlei Tricks Zutritt zu den Parties verschafften, dort Leute kennenlernten, die dazugehörten, die dachten, auch jene anderen Leute gehörten dazu, die einen dann wieder auf ihre eigenen Parties einluden oder zu anderen Parties mitnahmen. Diese Leute, die eigentlich nicht dazugehörten, nannte man die Schnorrer. Sie störten anfangs nicht weiter, man nahm sie kaum zur Kenntnis. Die Presse, die Gesellschaftsreporter der größeren Illustrierten, sahen in diesen Schnorrern jedoch interessante Leute, meist erheblich interessanter als die eigentlichen Playboys. Man berichtete über sie und einer von denen, über die am meisten berichtet wurden, war der sog. Schnorrerkönig Poldi Waraschitz, dem Namen nach ganz offensichtlich ein Österreicher. Warum "König" weiß ich nicht mehr, vermutlich deshalb, weil er am häufigsten präsent war, am dicksten absahnte und überhaupt besser als andere mit den Spielregeln zurande kam.

Die eigentlich nötige Anonymität ging den Schnorrern damit verloren, sie tauschten sie aber mit einer gewissen eigenen Prominenz, die sie mehr und mehr zu unentbehrlichen Attributen der Parties machte. Wenn du als Groß-Playboy eine Party gabst und Schnorrerkönig Poldi Waraschitz war nicht auf deiner Party anwesend, dann war das ein dickes Zeichen dafür, daß du nicht mehr (noch nicht, nie) zur Creme de la Creme der Party-Society gehört hast. Eine Katastrophe!

In einem anderen Zusammenhang habe ich geschrieben, in diesem Scheiß-Internet müßte man jede Information, die einem komisch vorkäme, überprüfen, da im Internet jeder, wirk-lich je-der Narr, etwas schreiben könne. Ich anempfehle meiner illustren Leserschaft, auch meine Geschichten mißtrauisch zu prüfen.

Die Geschichte vom Waraschitz Poldi ist aber wahr
wahr.

[1] Die Familie der Mutter von Pignatari, die Grafen Matarazzo, kommt aus Castellabate, wo ich zehn Jahre gelebt habe.
Ein Anderer aus der Familie hat 1959 das Paradox Zenons von Elea von Achilles und der Schildkröte aufgelöst, das heißt die Fragestellung in der Luft zerfetzt.

Eine Kuriosität am Rande: Einige Jahre lang hieß der Botschafter Italiens in Brasilien Matarazzo, während gleichzeitig der brasilianische Botschafter in Italien ebenfalls Matarazzo hieß.

[2] Es ist unglaublich, was für unwichtigen Scheißdreck man sich alles über die Jahrzehnte hinweg merkt, während anderes, ungleich wichtigeres, längst vergessen ist.

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