Mittwoch, 15. Juli 2020
Physikalische Gesetze - psychologisch gesehen
physikalische gesetze (pdf, 88 KB)

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Samstag, 9. November 2019
Rauchen aufhören? Schon, aber...
Jetzt mal ernsthaft: Rauchst du noch? Du willst aufhören, aber du schaffst es nicht, weil die Entzugserscheinungen dich beuteln wie nur was?
Ich glaub, ich hab da was, das funktionieren könnte.
Im zarten Alter von 26 Jahren hatte ich beschlossen, mit dem Rauchen aufzuhören. Mehrere Versuche mit der Methode "Eiserner Wille" hatten nicht funktioniert, weil nach spätestens drei Tagen die Entzugserscheinungen einfach nicht mehr lustig waren. Die Versuche, so schön allmählich die Anzahl der täglichen Zigaretten zu reduzieren, endeten im Fiasko. Du gestehst dir fünf Zigaretten am Tag zu und bist guter Dinge, denn fünf pro Tag sind immer noch besser als gar nichts. Am fünften Tage aber stellst du fest, daß du die fünfte Zigarette schon um drei Uhr nachmittags geraucht hast. Am Abend, nach des Tages Mühen noch ein Zigarettlein aber wäre eine feine Sache. Und was soll es auch, sechs Zigaretten statt fünf, das spielt ja keine Rolle. Oder auch sieben... Vergiß diese Methode, da mußt du ständig auf dich aufpassen. Wenn du das könntest, dann hätte die Methode "Eiserner Wille" auch schon funktioniert.
Als seinerzeit die Reemtsma Nr. 1 aufkam, mit nur noch 0,1 mg Nikotin, hatte ich mir neugierhalber eine Schachtel gekauft. Dabei stellte ich fest, daß die fast genau stark und herb schmeckten wie die Roth-Händle. Um zu testen, ob das bloß Einbildung war, habe ich die Dinger aus der Packung genommen, sie ins neutrale Etui getan und verschiedenen Leuten angeboten. Als ich anschließend fragte, welche Marke das gewesen sein könnte, tippten viele auf Roth-Händle Filter. Einige rauchten die Zigarette gar nicht zu Ende, weil sie ihnen zu stark war.
Also bin ich von Roth-Händle auf Reemtsa Nr. 1 umgestiegen um auszusteigen. Der Effekt war gespenstisch. Du rauchst eine Zigarette und dann wieder eine und noch eine und während du rauchst und inhalierst bekommst du allmählich Entzugserscheinungen. Noch nicht mal eine Steigerung der Menge brachte was, immerhin hätte ich fast eine Schachtel rauchen müssen, um den Nikotingehalt einer einzigen Roth-Händle zu haben.
Und dann bescherte mir dieser gescheiterte Versuch eine Idee. Könnte man nicht, so dachte ich bei mir, den Entzugsschock in lauter kleine, winzigkleine Entzugsschöckchen zerlegen? Also nicht mit einem kühnen Sprung von 20 Roth-Händle am Tag auf Nullniveau herabspringen, sondern schön gemächlich die Treppe herabsteigen.
Ich schaute mir die Nikotinwerte der einzelnen Marken genauer an und machte mir einen Stufenplan [1]. Von Roth-Händle (ohne Filter, natürlich) stieg ich nun auf Reval (ohne Filter, klar) um. Das ist nicht dasselbe, aber doch...
Nachdem ich mich auf Reval gut eingepegelt hatte, was etwa 2 Wochen gedauert hat, stieg ich auf Camel-Filter um. Das war nicht ganz so einfach, aber nach zwei, drei Wochen war ich auch hier zufrieden. Und so ging das weiter, von Marke zu Marke immer um 0,1 mg Nikotin weniger. Und ich bin - das war ganz wichtig - immer solange auf einer Stufe geblieben, bis ich mich dort wohlzufühlen begann. Bis wieder hin zur Nr. 1 von Reemtsma, einer Marke, die sich damals "nikotinfrei" nennen durfte. Das war sie zwar nicht, aber sie enthielt nur noch schlappe 0,1 mg Nikotin pro Zigarette. Gegenüber den 1,4 oder 1,5 mg der Roth-Händles war das nichts.
Auf die Steigerung der Tagesration hatte ich bei meinem Weg abwärts dabei nicht zu achten brauchen, bei derart kleinen Unterschieden im Nikotingehalt steigert man nicht automatisch die Menge, wie das bei abruptem Markenwechsel von Roth-Händle auf Lord Extra der Fall gewesen wäre.
Einmal auf Nr. 1-Niveau war das völlige Aufhören dann gar nicht mehr tragisch. Das war kein Nikotinentzug mehr, sondern nur noch der gelassene Abschied von einer liebgewonnenen, manchmal aber auch lästigen Gewohnheit.
So also wurde ich zum Nichtraucher. Und blieb dies sieben Jahre. Bis...
Dies aber, liebe Kinder, ist eine andere Geschichte. Wenn ihr brav seid, erzähle ich sie euch eines Tages.


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[1] Eine leidlich aktuelle Liste mit den in Deutschland gängigen Marken und ihrem jeweiligen Nikotingehalt ist unter diesem Link
zu finden.

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Sonntag, 3. November 2019
Was ist der Unterschied zwischen einem Psychologen und einem Psychologen?
Wenn du denkst, du hättest etwas verstanden, dreht dir die Wirklichkeit eine Nase.
An der Uni Regensburg hatten wir in den siebziger Jahren den Professor D., der Methodenlehre und Statistik lehrte. Ein spröder Norddeutscher, der auf Deibel komm raus die Psychologie zur Naturwissenschaft machen wollte. Ferner gab es Prof. V., einen charmanten, funkelnden Wiener, der Humanistische Psychologie und Psychoanalyse lehrte.
In seinen Seminaren haben wir u. a. therapeutische Situationen (Videoaufzeichnungen) analysiert, sowohl was den Klienten als auch die Reaktion des Therapeuten betrifft. Wir haben aber auch selber Rollenspiele gemacht, zum Teil mit Video-Feedback, der Letzte Schrei damals: Schau mal, wie du hier strafend die Augenbrauen hebst, während du vorgeblich etwas Freundliches zu ihm sagst.
So weit, so gut. Zwei sehr gegensätzliche Arten von Psychologie und zwei sehr gegensätzliche Typen von Menschen. Und dann gehst du in die mündlichen Prüfungen bei den beiden.
Zum spröden Prof. D. gehst du zu zweit oder zu dritt und er zieht die Prüfung als Gespräch auf. Er gibt einen groben Rahmen vor und dann läßt er dich und den anderen Prüfling erzählen, bzw. an der Tafel einen Gedanken entwickeln, stellt Fragen und es entwickelt sich ein Gespräch in einer durchaus angenehmen Atmosphäre. Dadurch, daß zwei oder drei Leute zugleich geprüft werden, hast du auch relativ viel Zeit, deine Gedanken zu entwickeln und dein Wissen nach und nach hervorzuholen.
Der Kommunikationspsychologe Prof. V. hingegen hockt dir an seinem Schreibtisch gegenüber und schaut dich grimmig an, weil du ihm wegen dieser Scheißprüfung die Zeit stiehlst. Aus einem Karteikasten zieht er zufällig eine Karte, darauf stehen drei Fragen und die stellt er dir und er will darauf eine klare Antwort. Punkt. Aus.
Vielleicht sollte ich noch erwähnen, daß wir in einem Seminar bei Prof. V. den Aufsatz " Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden " von Kleist analysiert haben, einen Aufsatz, in dem sich Kleist über genau diese Art von überfallartiger Prüfungsfrage lustig macht (und V. sich mit ihm, im Seminar).
Manchmal ist die Wirklichkeit so, daß du dir so was nie erfinden traust.

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Donnerstag, 24. Oktober 2019
Subversiver Gehorsam
In keinem der Nachrufe auf Fritz Teufel, die ich seinerzeit gelesen habe, fehlt die mehr oder weniger ausführliche Schilderung jenes Vorfalls, bei dem der legendäre Satz fiel: "Na ja, wenn's denn der Wahrheitsfindung dient". Es scheint, als wäre es ganz vorrangig dieser eine Satz, den Fritz Teufel der Nachwelt hinterlassen hat. Ich fand sogar mehrmals die Anmerkung, Fritz Teufel habe damit Rechtsgeschichte geschrieben.

Auf den ersten Blick ist dies erstaunlich, denn sooo bedeutend scheint das Sätzlein nicht zu sein, daß es Unsterblichkeit verdient hätte. Vielleicht hilft es, wenn man den Zusammenhang betrachtet, in dem es gesprochen wurde.

Fritz Teufel war angeklagt gewesen, bei einer Demonstration Steine auf Polizisten geworfen zu haben (er wurde von diesem Vorwurf freigesprochen, dies nebenbei). Als er eine etwas allgemeinere, politische Erklärung vortragen wollte, wurde er vom Richter zurechtgewiesen, er möge nur solche Sachen vortragen, die der Wahrheitsfindung dienten. Kurz darauf betrat das Gericht nach einer Verhandlungspause den Saal und die Anwesenden, einschließlich der Zuschauer, erhoben sich von ihren Plätzen. Nur Fritz Teufel blieb sitzen.

Der Vorsitzende forderte ihn auf, er möge gefälligst aufstehen, wenn die Richter in den Saal kommen. Fritz Teufel schraubte sich gaaanz langsam hoch und sagte: "Na ja, wenn's denn der Wahrheitsfindung dient."

Der Witz der Aussage ist nun verständlicher, die Frage bleibt, warum dieser Satz damals und bis heute fortdauernd so gezündet hat.

Teufel macht hier etwas sehr Paradoxes: Er übt subversiven Gehorsam . Er beleidigt den Befehlenden, indem er dessen Befehl gehorcht , er bleibt aufrecht indem er sich beugt.

Wenn ein Ranghoher einem Rangniederen einen Befehl erteilt, dann hat der Unter mehrere Möglichkeiten:

- Er kann dem Befehl gehorchen. Das freut den Ober und erspart dem Unter Unannehmlichkeiten.

- Er kann sich dem Befehl widersetzen. Das ärgert den Ober zwar, aber er hat in aller Regel Möglichkeiten, den Unter zu bestrafen, was den Ober dann letztlich doch wieder freut.

- Er kann dem Befehl gehorchen, dabei aber gleichzeitig die Botschaft rüberbringen: "Ich halte dich für ein unbedeutendes Würschtl, aber gut, du hast das schärfere Schwert..."

Genau das hat Teufel getan. Wäre er auch nach der Aufforderung sitzengeblieben, so hätte er eine weitere Ordnungsstrafe kassiert. Der Richter hätte sich zwar über ihn geärgert, gleichzeitig aber die Genugtuung gehabt, daß er die Unbotmäßigkeit sanktionieren konnte. So, wie es dann tatsächlich gelaufen ist, war der Richter machtlos.

Der Saal hat gelacht, er hat über Teufels Bemerkung gelacht - und er hat den Richter ausgelacht. Einen Richter mitten in der laufenden Verhandlung straflos der Lächerlichkeit preisgeben - brillant! Der Richter muß damals geschäumt haben vor Wut.

Mit Ungehorsam kommen Ranghohe meist ganz gut zurecht, das gehört zur Grundausbildung. Subversiven Gehorsam dagegen lieben Mächtige überhaupt nicht.

In einem anderen Zusammenhang hat Fritz Teufel in einer Art Makro-Struktur die Justiz bis ins Mark blamiert und hat den ihn anklagenden Staatsanwalt als rechtsbeugenden Beweismittelfälscher, also als ganz normalen Verbrecher bloßgestellt.

Er war angeklagt gewesen, einen terroristischen Anschlag (mit)verantwortet zu haben. Er stritt den Vorwurf ab, der Staatsanwalt aber legte Beweismittel vor, die klipp und klar nachwiesen, daß Teufel der Täter sein müsse. Von der Verhaftung bis zum Ende des Prozesses saß Teufel klaglos in Untersuchungshaft, erst ganz am Schluß ließ er die Bombe platzen. Während der Tatzeit hatte er nämlich, unter falschem Namen, in einem großen Betrieb am Fließband gearbeitet, weitab vom Tatort. Das konnte er durch die Stechuhr und die Aussagen der Kollegen eindeutig nachweisen.

Zum Schluß noch ein Zuckerl, das Fernsehgeschichte geschrieben hat.

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Dienstag, 22. Oktober 2019
Kindisch
Ich bin manchmal sehr kindisch. Das hat jetzt eher wenig mit meinem Alter zu tun, denn kindisch bin ich schon sehr lange. Sehr, sehr lange, im Grund bereits von klein auf. Ich konnte noch nicht mal richtig sprechen, war aber schon perfekt kindisch.

Wenn du so was nicht von Kindesbeinen an lernst, wirst du es nie lernen.

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Der Ratz und der (Aber-)Glaube
Es gibt Leute, die den Beginn des Menschseins an dem Punkt ansetzen, wo der Mensch begonnen hat, über die sinnlich wahrnehmbare Realität hinauszudenken und magische Zusammenhänge in die Welt hineinzudenken.
Im Großen und Ganzen ist das wahrscheinlich gar kein schlechter Ansatz, dachte ich jahrzehntelang, bis ich von dem austro-amerikanischen Psychologen Paul Watzlawick [Villach (Kärnten)/Palo Alto (Kalifornien)] in die Psychologie des Ratzens (rattus) eingeführt wurde.
"Aberglauben gilt allgemein als eine typisch menschliche Schwäche oder als magischer Versuch, Einfluß über die kapriziöse Unberechenbarkeit der Welt und des Lebens zu gewinnen. Merkwürdigerweise aber kann Aberglauben auch in einem so unphilosophischen Lebewesen wie der Laborratte (...) experimentell herbeigeführt werden. Die Versuchsanordnung ist sehr einfach. Die Ratte wird von ihrem Käfig in einen etwa drei Meter langen und einen halben Meter breiten Raum gelassen, an dessen anderem Ende ein Futternapf steht. Zehn Sekunden nach Öffnen des Käfigs fällt Futter in den Napf, vorausgesetzt, daß die Ratte erst zehn Sekunden nach Öffnen des Käfigs zum Napf kommt. Kommt sie in weniger als zehn Sekunden dort an, so bleibt der Napf leer. Nach einigem blinden Ausprobieren (dem sogenannten Versuchs- und Irrtumsverfahren) erfaßt die für praktische Sinnzusammenhänge sehr aufgeschlossene Ratte die offensichtliche Beziehung zwischen dem Erscheinen (beziehungsweise Nichterscheinen) von Futter und dem damit verbundenen Zeitelement. Und da sie normalerweise nur etwa zwei Sekunden für das Zurücklegen der Entfernung zwischen ihrer Käfigtür und dem Futternapf brauchen würde, muß sie die restlichen acht Sekunden in einer Weise vergehen lassen, die ihrem natürlichen Impuls, direkt zum Futter zu laufen, widerspricht. Unter diesen Umständen gewinnen diese Sekunden für sie eine pseudokausale Bedeutung. Und was pseudokausal in diesem Zusammenhang bedeutet, ist, daß jedes - auch das zufälligste - Verhalten der Ratte in diesen Extrasekunden selbstbestätigend und selbstbestärkend und damit zu jener Handlung werden kann, von der sie »annimmt«, sie sei notwendig, um dafür durch das Auftauchen von Futter von weiß Gott woher belohnt zu werden – und dies ist das Wesen dessen, was wir im menschlichen Bereich einen Aberglauben nennen.
Es versteht sich von selbst, daß dieses Zufallsverhalten für jedes Tier verschiedene und höchst kapriziöse Formen annehmen kann; zum Beispiel eine Art Echternacher Sprungprozession auf den Napf zu oder eine bestimmte Zahl von Pirouetten nach rechts oder links oder irgendwelche andere Bewegungen, die die Ratte zuerst eben rein zufällig ausführte, nun aber sorgfältig wiederholt, da für sie ihr Erfolg mit dem Futter ausschließlich davon abhängt. Denn jedesmal, wenn sie beim Ankommen am Napf Fressen vorfindet, bestärkt dies die »Annahme«, es sei durch ihr »richtiges« Verhalten erzeugt worden. Es ließe sich natürlich einwenden, daß mit dieser Erklärung der Ratte eine Art menschlicher Weltanschauung zugeschrieben wird und daß dies reine Phantasie ist. Es läßt sich aber die frappierende Ähnlichkeit mit gewissen menschlichen Zwangshandlungen nicht übersehen, die auf dem Aberglauben beruhen, sie seien zur Beschwichtigung oder Günstigstimmung einer höheren Macht notwendig.
"
(Paul Watzlawick: "Wie wirklich ist die Wirklichkeit")

Der Begriff "Aberglaube"
Eine Anmerkung sei gestattet: Paul Watzlawick verwendet hier das Wort "Aberglaube" als Erklärung für das magische Verhalten der Laborratte. Damit bleibt er in einem Wortgebrauch, den auch ich oft pflege. Allerdings ist mir bei meinen gelegentlichen Anfällen philosophischen Denkens der Begriff "Aberglaube" etwas suspekt, ich mag ihn nicht sonderlich. Was nämlich, so frage ich mich, ist der Unterschied zwischen Aberglaube und Glaube, wo habe ich die Grenze zu ziehen?
Sowohl Glaube als auch Aberglaube halten Sachverhalte für existierend, die in der sinnlich wahrnehmbaren Welt nicht auffindbar sind, beide pflegen Praktiken, welche die Existenz einer metaphysischen Welt voraussetzen. Auffallend ist dabei, daß abergläubisch stets die anderen sind, während ich selber mich als gläubig bezeichne. Die Trennung zwischen Glaube und Aberglaube ist anscheinend künstlich, Aberglaube ist ein Kampfbegriff in der Diskussion.
"Die Furcht vor denjenigen unsichtbaren Mächten, welche der Staat anerkennt, ist Religion, die Furcht vor solchen, welche er nicht anerkennt, Aberglaube", heißt es in einem "Philosophischen Wörterbuch". ([1])


[1] Ich finde die Quelle nicht mehr, das heißt genauer gesagt, der Mensch, der mir den Satz zitiert hat, hat damals nicht angegeben, welches Wörterbuch er meint. Womöglich hat er sich den Satz selbst ausgedacht, wodurch dieser natürlich nicht weniger wahr wird.

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